Offen für ganz neue Klangwelten bei Jahreskonzert

Altensteig – Den Auftakt hierbei hatte Trompetensolistin Emma Brenner (16), mit der Sonate für Trompete und Streichorchester von Georg Philipp Telemann. Durch Vater und Großvater, die im Posaunenchor spielen, kam sie bereits in der 4. Klasse mit Blasmusik in Kontakt und baute dies in der Musikschule und im Schulorchester weiter aus.

Neben der Musik ist sie noch aktive Pfadfinderin bei den „Royal Rangers“ und ihre gute Tat für den Samstag war eindeutig ihr Auftritt. Glasklar und fehlerlos, mit einem majestätischen Schluss lieferte sie den Telemann ab. „Ich hatte auch seit September Zeit zum Üben“, verrät sie mit einem unwiderstehlichen Strahlen.

Es schloss sich der „Winter Palace“ von Aleksey Igudesman an. Dieses Werk hatte seine Uraufführung 2015. Eigentlich immer zu einem Scherz aufgelegt, gibt Igudesman eine russische Schwermut in das Stück – man sieht zu Beginn vor dem geistigen Auge einen mit Schnee und Eis überzogenen Palast, bis Bass und Cello mit ihrem Stakkato eine Spannung aufbauen, die sich anschließend in eine Einladung zum Tanz entlädt, um dann unvermittelt in völlig neue Klangwelten vorzudringen.

Schläge auf Griffbrett
Dass ein Streichorchester auch perkussiv klingen kann, beweisen Bass und Cello mit kräftigen Schlägen auf das Griffbrett.

„Da Pacem Domine“ – gibt Frieden, Herr! Diese Bitte passt nicht nur in diese Zeit, sondern es passt auch Arvo Pärt mit seiner estländischen Herkunft in die nun bereits präsente östliche Welt: Der nachdenkliche Orgelpunkt des Cello wird von den Bratschen umspielt, während die ersten Geigen fordernd nach Frieden rufen.

Nach dieser Entführung in andere Gefühlswelten gibt Pfarrer Klaus-Peter Lüdke kurze, nachdenkliche Impulse und leitet über zu Alessandro Scarlettis „Sonata à quattro“. Fast fugal setzen hier die Streicher von Geige über Bratsche und Cello zum Bass ein, um dann einer Unterhaltung zwischen der ersten Geige und dem gestrichenen Bass Raum zu geben.

Auch die „Musika serena“, für die Peteris Vasks (neben zwei weiteren Werken) mit dem Opus Klassik 2022 als „Komponist des Jahres“ ausgezeichnet wurde, schließt den Kreis osteuropäischer Musik.

Gezupftes Cello
Nach einem zitternd-zarten Einsatz der Geigen gibt hier das gezupfte Cello die Richtung an und erzeugt einen Schwall von Gänsehaut, Tränen, Träumen und Hoffnung, um am Ende wieder mit einem zitternden a‘‘-Hauch der Geigen zu schließen.

Jutta Hay, Musiklehrerin am hiesigen Gymnasium, die seit 15 Jahren gemeinsam mit Renate Harr das Kammerorchester leitet, dirigiert präzise wie aus einem Schulbuch, weiß immer, welche Dynamik und welches Tempo sie von ihrem Orchester erwartet und beatmet ihre Geigen auch schon mal, um ihnen einen deutlichen Einsatz zu geben. Im Gespräch lobt May die Flexibilität der Instrumentalisten: „Es ist großartig, dass man mit diesem Orchester Neues, auch mal etwas Experimentelles wagen kann“. Abschließend verrät sie, dass man sich jetzt schon auf eine Aufführung von Jugend- und Kammerorchester gemeinsam mit der Christopherus-Kantorei freuen kann und spoilert, dass im Sommer „My Fair Lady“ auf die Bühne gebracht wird.

Ende mit „Tochter Zion“ eingeleitet
Das Ende des großartigen Abends wird von den Streichern mit Händels „Tochter Zion“ eingeleitet, welches die Zuhörer ab der zweiten Strophe begleiten, um dann durch Emma Brenners Trompetenklängen vervollständigt zu werden.

(Artikel aus dem Schwarzwälder Boten Oliver Pütz 28.11.2022 – 17:46 Uhr)