West Side Story 2013
mit der Christophorus-Kantorei Altensteig
Kantorei meistert auch Kampfgetümmel
Altensteig – Wie fühlt es sich an, nach zweieinhalbstündiger Aufführung mit Applaus überschüttet und von 500 Premierenbesuchern der West Side Story mit stehenden Ovationen verabschiedet zu werden? Bestimmt überglücklich, weil einem das Gefühl sagt, Außergewöhnliches geleistet zu haben und Teil einer fulminanten Vorstellung gewesen zu sein.
Dass die Christophorus- Kantorei in der Lage ist, musikalisch zu glänzen, hat sie bei der letzten großen Produktion, der Oper „Carmen“ (2009) im Altensteiger Schlossgarten unter Beweis gestellt; dass auch außerordentliche schauspielerische und tänzerische Qualitäten vorhanden sind, konnte Regisseurin Birgit Heintel nicht von vornherein erwarten. Und wurde positiv überrascht. Packendes Kampfgetümmel, wilde Tänze, Liebenszenen voller Leidenschaft und Hingabe, geballte Temperamentsausbrüche, choreografisch durchkomponierte Massenszenen, ein Jugendsinfonie- und Kammerorchester Altensteig, welches die verschiedensten Elemente aus Klassik, Jazz, Oper und Unterhaltungsmusik zu einem bunten Melodienstrauß zusammenband – all das gab es zu bestaunen und zu bewundern.
Die West Side Story wurde bereits auf vielen Bühnen gespielt. Dass Michael Nonnenmanns Choristen den Vergleich nicht scheuen müssen, zeigte die Premiere. Besonders die Protagonisten Julia Münster aus Fünfbronn als Maria und Timm Shanks aus Altensteig als Tony agierten beherzt und authentisch.
Regisseurin Birgit Heintel hat die 15 Szenen des Musicals mit weltbekannten, in Altensteig in englischer Sprache gesungenen Melodien („America“, „Tonight“, „Maria“) in monatelangen Proben mit hochmotivierten Akteuren einstudiert und für eine packende und farbige Inszenierung gesorgt. Für die Choreografie zeichnete Ingrid Lipps verantwortlich – für die mit Wucht und Temperament aufs Parkett gelegten Tänze hat sie Damaris Armbruster mit ins Boot geholt und für den Ablauf explosiver Kampfszenen Christian Bötel vom TSV Altensteig.
Um die musikalische Harmonie und ein perfektes Zusammenspiel zweier engagierter Orchester haben sich Jutta Hay und Michael Nonnenmann verdient gemacht. Die Kulisse einer trostlosen Gegend in einem heruntergekommenen, von Konflikten gekennzeichneten Viertel New Yorks hat Bühnenbildner Ulrich Seibt stilsicher entworfen; er konnte dabei auf Dienste von Vanessa Zhang und Luise Engler bauen.
Der Broadway-Klassiker hat auch 56 Jahre nach der Uraufführung nichts von seiner Brisanz und Aktualität verloren. Das ins Gedächtnis zurückzurufen, ist Nebeneffekt einer Altensteiger Aufführung hochkarätiger Choristen, wandlungsfähiger Schauspieler und hervorragender Musiker, die die Zuschauer der Premierenvorstellung 150 Minuten lang in Atem hielten – bis sich der Gefühlsüberschwang in einem euphorischen Schlussapplaus entlud.
Wer die überragende Inszenierung der „West Side Story“ sehen möchte, hat dazu heute Abend auf den gestaffelten Rängen der Eichwaldhalle letztmalig Gelegenheit. Beginn ist um 20 Uhr.
(Schwarzwälder Bote vom 22.07.2013)